Kurze Geschichte des Radios
von Mosè Battocchio – Übersetzung von Herta Puff
Seine Geburtsstunde erlebt das Radio im Jahre 1895 im Zuge der Forschungen des jungen Marconi zu den Kommunikationsmöglichkeiten mit Hilfe von Radiowellen (Herzwellen), die ursprünglich von Maxwell (1873) als Theorie aufgestellt und anschließend von Herz (1887) praktisch nachgewiesen wurden. Die Intuition von Marconi zeichnete den Beginn einer neuen Ära, der Ära der Kommunikation. Schon bald begannen die Ereignisse sich förmlich zu überschlagen und immer weitere Entfernungen, immer größere Hindernisse wurden überwunden: Im Jahre 1901 schafft es Marconi, über den „Äther“ den alten und den neuen Kontinent miteinander zu verbinden. Tatsächlich gelingt es ihm, die Erdkrümmung zu überwinden, was bis dahin für unmöglich gehalten wurde, und eine Verbindung zwischen Cornwall (GB) und St. John’s auf der Insel Neufundland (Kanada) herzustellen.</br><br>Von diesem Zeitpunkt an wurde das Radio immer mehr zum direkten Kommunikationsmittel, welches den Kontakt mit den entferntesten Erdteilen und den verschiedensten Transportmitteln, wie Schiffen und Flugzeugen ermöglichte und über welches Nachrichten und Informationen, vom Hilferuf (S.O.S.) bis hin zu den alltäglichen Nachrichten über Politik, Sport, Sozialem, Kunst und Kultur u.a.m. übertragen werden konnten.</br><br>Kontinuierliche Forschung und ständige Weiterentwicklung ermöglichten den Schritt von den ersten, noch mittels Morsealphabet übermittelten Radionachrichten hin zur verbalen Kommunikation und verliehen dem Radio somit Stimme und Klang. Im Jahr 1909 wurde Marconi der Physiknobelpreis überreicht.</br><br>Westinghouse beginnt 1920 anlässlich der Präsidentenwahlen, die zur Wahl des 29. Präsidenten der Vereinigten Staaten (Harding Warren) führen werden, mit den ersten Rundfunkübertragungen und zum ersten Mal in der Geschichte können die Amerikaner die Wahl ihres Präsidenten life mithören. In Kürze erobert der Radiorundfunk das Herz der Zuhörermassen und gibt dadurch auch der Rundfunkindustrie starken Auftrieb.</br><br>Kurze Zeit später setzt das Rundfunkphänomen seinen Siegeszug auch in Europa fort. So in Frankreich (1921) anlässlich der Feierlichkeiten zu Ehren von Edouard Branly (1844-1941), eines französischen Wissenschaftlers, der in Frankreich als der Vater des Radios gilt. Die erste Anlage wurde auf dem Eifelturm installiert. Im Jahre 1922 folgten England und Deutschland. Italien hingegen, wenngleich das Heimatland Marconis, hinkte diesbezüglich dem Rest Europas etwas hinterher. Die schwere Krise, welche das Land im Anschluss an den ersten Weltkrieg zu überwinden hatte, lähmte auch die wirtschaftliche Entwicklung. Man muss den 6. Oktober 1924 abwarten, bis auch in Italien der Radiorundfunk schließlich Fuß fasst. Bedeutsam mag hierbei ein im August 1923 veröffentlichter, provokatorischer Artikel des Ingenieurs Ernesto Montù, einem der damals größten Experten auf dem Gebiet der Radiotechnik, scheinen: „In den USA gibt es 2.000.000 Radiohörer und 600 Rundfunkstationen. In Großbritannien 500.000 Zuhörer und sechs Funkstationen. In Frankreich beträgt die Zahl der Hörer 200.000 bei fünf Stationen. In Italien ist das Reglement zur Lizenzvergabe für den Rundfunk in Ausarbeitung.“ Am 27. August 1924 wird in Rom die Unione Radiofonica Italiana (URI) gegründet, am 6. Oktober desselben Jahres die reguläre Übertragung auch in Italien aufgenommen, und die Stimme von Maria Luisa Boncompagni, der ersten Radiosprecherin Italiens, dringt zum ersten Mal in die Häuser zahlreicher italienischer Familien. Im Dezember 1925 nimmt auch die Rundfunkstation in Mailand ihren Dienst auf, doch die Zuhörerzahl hält sich in Grenzen. Für viele sind die Radiogeräte nicht erschwinglich und das Abonnement entspricht dem Monatsverdienst eines Staatsbediensteten. Mit königlichem Dekret vom 17. November 1927 wird die URI in die EIAR (Ente Italiano Audizioni Radiofoniche) umgewandelt.</br><br>Nichtsdestotrotz blieb Italien das Schlusslicht in der europäischen Rangliste des Rundfunks, ohne jemals das Niveau eines kollektiven Massenphänomens wie in anderen Ländern zu erreichen. 1928 zählte Italien 50.000 registrierte Zuhörer, während es in Deutschland bereits zwei Millionen waren. Im Jahre 1930 stieg diese Zahl auf 70.000, während sie sich in Deutschland auf vier Millionen verdoppelte. Diese Zahlen spiegeln die damalige Situation in Italien wieder. Dennoch dürfen die auch durch politische Erwägungen angestellten Anstrengungen der Regierung zu Gunsten des Rundfunks nicht vergessen werden, wobei sie unter anderem die Herstellerfirmen anhielt und aufforderte, Geräte „für das Volk“ zu günstigen Preisen zu produzieren.</br><br>Mit dem Fall des Regimes wurde 1944 die EIAR in die RAI (Radio Audizioni Italiane) umgewandelt. Von diesem Moment an würde man meinen, von jüngerer Vergangenheit sprechen zu können, doch wenn wir an die sechzig Jahre denken, die seit jenem Zeitpunkt bis zum heutigen Tag vergangen sind, so besteht doch Grund genug für eine weitere Jubiläumsfeier: 60 Jahre RAI.